Mein allererster Äthiopientrip

Mein allererster Äthiopientrip liegt nun ÜBER 18 Jahre zurück. Es war die Zeit der großen Kaffeekrise mit extrem niedrigen Preisen, wenn man so will, die Geburtsstunde des fairen Kaffeehandels. Ich arbeitete zu dieser Zeit für die Freiburg Amber Foundation, einer Stiftung zur Förderung des Ökologischen Landbaus. Eine externe Beraterin hatte uns damals einen gewissen Herrn Tadesse Meskela in Äthiopien ans Herz gelegt, seinerzeit Geschäftsführer der Oromia Coffee Farmers Cooperative Union, dem Dachverband von inzwischen über 30 Kaffeekooperativen des Bundesstaates Oromia mit mehr als 90.000 Mitgliedsfamilien. Ich durfte nach Äthiopien reisen, um Förderprojektmöglichkeiten zu eruieren. Da ich vor Ort keine Kontakte hatte, sprach ich das Büro des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) an und bat um einen Kontakt. Ich gelangte an Christian, der für die Koordination von Partnerprojekten zuständig war. Meine Frau begleitete mich. Ich erinnere mich an die Ankunft dem damals noch provinziell anmutenden Flughafen mit dem klischeehaften Charme eines Entwicklungslandes. Äthiopien, ein Land im Umbruch, kaum 10 Jahre nach der Entmachtung des sozialistischen Derg-Regimes. Draußen empfängt uns Christian, umgeben von Taxifahrer mit Ihren blauen, vorsintflutlich sozialistischen Ladas, die nach dem Fall des eisernen Vorhangs hier eine Anschlussverwendung gefunden hatten. Manch eines dieser Taxis wird mich noch 10 Jahre später mit abgestelltem Motor, klappernd und mit perforiertem Unterboden von der Oberstadt in Richtung Meskal-Square bringen…

Es ist Dezember, ein trockener Monat. Gleißende Höhensonne und staubiger Wind, Eukalyptusbäume, ein paar kaiserliche Prachtbauten, hier und da sozialistische Revolutionsdenkmäler – ein befremdliches Ambiente. Wir besuchen das DED-Büro, stellen uns vor. Der einheimische Sekretär des deutschen Büroleiters spricht fließend Deutsch, studierte in Rostock Schiffsbau, einen Beruf, der nach dem Ende des Eritrea-Krieges und dem Verlust des Meerzuganges überflüssig wurde.

An einem der folgenden Tage werden wir Tadesse Meskela vorgestellt, der 1999 die Oromia Coffee Farmers Union gründete und über Jahre ihr Generaldirektor war – eine Ikone des fairen Kaffeehandels und mein erster äthiopischer Freund – da bin ich heute noch stolz drauf! Richtig bekannt wurde Tadesse durch den sehenswerten Film ‚Black Gold‘, in dem er die Frage aufwirft, warum eine Kaffeebauer von den 3 Dollar, die eine Tasse Kaffee im Coffeeshop kostet nur einen Anteil von 3 Cent erhält? Dr. Tadesse ist ein freundlicher, sehr selbstbewusster Mann, der weiß was er will und seine Überzeugung in kurzen prägnanten Sätzen zu formulieren vermag.

In seiner Begleitung öffnen sich sofort alle Türen und wir lernen in kurzer Zeit sehr viel über den Kaffeehandel – in Äthiopien und weltweit, besichtigen Lagerhallen voll mit Tausenden Säcken von Kaffee, sehen Frauen an Fließbändern Bohnen sortieren, besichtigen die Kaffeebörse, genießen Kaffeezermonien und äthiopisches N’jera, mit Freunden geteiltes Fladenbrot mit Beilagen. Wir haben das Glück, nicht die einzigen Gäste von Tadesse zu sein: Oxfam U.K. will eine Kampagne für fairen Kaffee starten und hat dazu eine prominente britische Seriendarstellerin Claire Goose mit Filmteam und Entourage eingeflogen. Wir dürfen die Kampagne begleiten. Es geht durch die trockene Dornbuschsavanne im Omo-Tal hinauf in die Berge von Djimma und Kafa, die Urheimat des Arabica-Kaffees, eine rumpelige Tagesreise im Jeep von Addis Abeba entfernt.

Claire und Dr. Tadesse am Geburtsort des Kaffees
Kaffeezeremonie am Geburtsort des Kaffees

Wir übernachten im Central Jimma Hotel, 2002 das einzige Hotel der Stadt, das schon von Kaiser Haileselassie genutzt wurde und auch noch so aussieht: Nur nichts anfassen, sonst fällt alles auseinander. Wir haben scheinbar das beste Zimmer ergattert und freuen uns – aber nur kurz, denn das Zimmer war für unsere Promischauspielerin gedacht. Nicht die einzige Prominente an diesem Platz und diesem Tag. Das stellen wir beim Abendessen fest, als ich hinter mir eine bekannte Stimme höre, die ich selbst gut imitieren kann, was ich mir in diesem Moment dann auch nicht verkneifen kann. Irritiert unterbricht Alfred Biolek seine Unterhaltung und dreht sich fragend zu mir um…

Er ist unterwegs als Botschafter für „Menschen für Menschen“, die in und für Äthiopien überragende Arbeit geleistet haben.
Nach dem Frühstück kommt Claire aus der Maske, und ohne Frühstück geht es für sie und uns zum ersten Drehort, einer Kaffee-Verarbeitungsanlage, in der die von den Bauern auf Eseln und Fahrrädern angelieferte Ernte verarbeitet und getrocknet wird.

Anschließend rumpeln wir weiter zum so genannten Birthplace of Coffee, dem wahren Geburtsort des Kaffees, der Platz im Wald, an dem der Hirtenjunge Kaldi erstmals seine Ziegenherde sich an Kaffeekirschen berauschend angetroffen haben soll. Wir sind sehr gespannt. Vorher noch ein kurzer Stop in einem Waldstück. Claire muss nochmals in die Maske und verschwindet mit Ihren Assistentinnen im Dickicht. Nach kurzer Weiterfahrt hält die Karawane an einer gerodeten Waldlichtung – glühende Mittagshitze empfängt uns – keine Spur von Magie, die wir uns vom Geburtsortes des Kaffees versprochen hatten – gutes Marketing hätte wohl anders ausgesehen. Im wenigen noch vorhandenen Schatten erzählt Tadesse der etwas ernüchterten Reisegruppe die Legende von Kaldi. Aber immerhin dürfen wir noch Wildhonig und eine der wunderbaren Kaffeezeremonien genießen.

Wildbienen-Honig – eine leckere Kostbarkeit

Promis haben viele Termine, deswegen geht es am nächsten Morgen schon wieder zurück in die Hauptstadt. Nicht ohne zuvor den lokalen Markt zu besuchen, Christian möchte noch Waldhonig kaufen. Der Markt besteht aus staubigen Gassen zwischen grob zusammen gehauenen Bretterbuden. In der Bude des Honigverkäufers steht hinter dem Tresen eine große emaillierte Badewanne, darin ein Honig-Wabengemisch und Hunderte, nicht gerade begeisternd wirkende Bienen in der Luft.

Hautfarbe und Geruch von Ferenjis, Ausländern schienen sie nicht gerade zu beruhigen… Ich war ihr erstes Opfer. Ich versuchte noch zum Jeep zu sprinten, als mich doch eine Biene an der Oberlippe erwischte. Unter dem Schmerz schrie ich auf und schlug die Autotüre hinter mir zu. Vor dem Fenster versammelten sich lachend ein paar Männer, die mir bedeuteten, dass meine Familienplanung nun abgeschlossen sei. Ob die Männer Recht behalten sollten, wird an dieser Stelle nicht verraten, aber meine Nashornlippe machte mich noch weitere zwei Tage zum Gespött meiner Mitreisenden. Wir nutzen die Tage noch zum Knüpfen wertvoller Kontakte, denen unser Elephant Beans auch seine Existenz verdankt.

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